Schon der Volksmund sagt: Liebe macht blind. Diese drei Worte beschreiben sehr prägnant, weshalb wir am Beginn einer Beziehung beinahe immun sind gegen kleine Sticheleien. Wir tun verbale Seitenhiebe oft als unwichtige Kleinigkeiten ab, bis sie dann Auswüchse annehmen, die tatsächlich verletzen. Anfangs sagt uns der Partner oft noch durch die Blume, dass wir seinem Intellekt nicht gewachsen sind, oder bringt bei Tisch „gut gemeinte“ Verbesserungsvorschläge für das Essen. Irgendwann aber fällt der Vorhang und wir sehen uns einer Demütigung ausgesetzt, die uns erst mal die Spucke nimmt. Wir verstehen nicht, weshalb das so ist und was wir „falsch“ gemacht haben. Haben wir das wirklich?
Menschen mit geringem Selbstwert erzeugen eine Machtungleichheit
Wir geraten ins Grübeln und sehen unseren Partner plötzlich nicht mehr so rosarot. Warum hat er das gesagt? Wusste er nicht, wie sehr er mich damit verletzen würde? Die Antwort liegt im Selbstbild des Partners: Menschen mit übergroßem Ego haben meist ein sehr schwaches Selbstwertgefühl. Damit das nicht auffällt, müssen sie ihren Partner „kleinhalten“. Sie erzeugen also unbewusst immer ein Machtgefälle, in dem sie die Führung haben. Dabei bedienen sie sich der unterschiedlichsten Strategien. Oft sind es Abwertungen, oder „gut gemeinte“ Änderungsvorschläge, die ihren Partner in eine Ecke drängen, in die er eigentlich nicht hin gehört. Die Missbilligung wird deshalb als sehr kränkend empfunden und das ist sie auch tatsächlich. Auch die „Angstkeule“ wird sehr gerne ausgepackt, frei nach dem Motto: Wer Angst hat, ist leichter zu kontrollieren. Dabei werden die haarsträubendsten Kisten ausgepackt, um den Partner einzuschüchtern. Geschichten werden aufgewärmt, die ewig zurückliegen und deren Inhalt so schrecklich ist, dass Beziehungspartner oft sogar in eine regelrechte Schockstarre verfallen und schon allein aus Angst davor, nicht vom gleichen Schicksal ereilt zu werden, weiterhin gefügig sind und in dieser Beziehungshölle verbleiben.
Die Strategien…
…sind über Jahre entwickelt und verfeinert worden und dienen einzig der Aufrechterhaltung eines kranken Egos, welches wiederum nur dem kaum vorhandenen Selbstwert ausgleichen muss. Diese Menschen tun das nicht absichtlich, es ist tatsächlich ihre einzige Strategie, um zu überleben. Dennoch ist es für alle, die an so einen Partner – (weiblich wie männlich) – geraten, eine absolute Hölle. Alle ihre Knöpfe werden gedrückt, um die eigenständige Persönlichkeit zu schwächen. Sie verlieren nach und nach ihre Autonomie und – so scheint es ihnen – ihre Würde. Wenn es so weit gekommen ist, sollte man sich wirklich überlegen, die Beziehung eiligst aufzugeben. In den seltensten Fällen ist der dominante Partner bereit, den therapeutischen Ansatz in Betracht zu ziehen. Das würde sein Ego niemals verkraften. Denn wenn er im Laufe der Therapie hinter sein Ego blicken müsste, würde er sich selbst erkennen. Er müsste dieses Spiegelbild von sich selbst ansehen, was ihn zutiefst erschüttern würde. Und diesem Menschen würde mit einem Schlag klar werden, was er all den Personen, die in sein Leben kamen, angetan hat. Nicht einfach, damit zu leben.