Mit rasanter Geschwindigkeit hat sich das Internet zu einem Medium entwickelt, mit dessen Hilfe es sehr einfach geworden ist, rund um die Uhr mit anderen Menschen überall auf der Welt Kontakt aufzunehmen, sich zu unterhalten und vielleicht sogar die große Liebe zu finden. Aber wie jedes Ding zwei Seiten hat, wird auch diese eigentlich begrüßenswerte Möglichkeit längst von kriminellen Tätergruppen missbraucht.
Der gute alten Heiratsschwindler, der noch persönlichen Kontakt zu seinen Opfern aufnehmen musste, verschwindet zunehmend von der Bildfläche der emotionalen Betrügereien. Stattdessen hat sich aus der Anonymität des World Wide Web ein neues Täterprofil etabliert, welches ausschließlich den Zweck verfolgt, andere Menschen um ihr wohlverdientes Geld zu bringen und sich mit der Vortäuschung falscher Tatsachen das Vertrauen potentieller Opfer zu erschleichen.
Die sogenannten Romance Scammer sind die Heiratsschwindler von heute. Das Internet macht es ihnen denkbar einfach, Identitäten zu erfinden, Fotos zu stehlen und ihr Gegenüber nach allen Regeln der Kunst zu belügen und zu betrügen. Der Begriff „Romance Scamming“ stammt aus dem Englischen und beinhaltet eine Form von Internetbetrug, bei dem auf verschiedenen Internetplattformen mit gefälschten Profilen agiert wird, mit dem einzige Ziel, größere Geldbeträge einzufordern.
Waren es bis vor geraumer Zeit noch Dating-Seiten, auf denen massenhaft Betrüger sich ihre Opfer förmlich aussuchen konnten, sind es heute vermehrt auch Hobby-Seiten, wie Handarbeits- oder Meditationsportale, von denen die Täter annehmen, dort überwiegend Frauen anzutreffen, die gutgläubig sind und sozial verantwortungsvoll handeln. Es gibt durchaus auch weibliche Scammer, aber der männliche Anteil überwiegt deutlich.
Derzeit existiert in Deutschland keine Statistik über Fallzahlen und wirtschaftliche Schäden. Die zumeist weiblichen Opfer wenden sich aus Scham nicht an die Polizei, so dürfte, selbst wenn Statistiken existierten, die Dunkelziffer enorm hoch sein.
Außerdem befinden sich die Betrüger in den seltensten Fällen in Deutschland oder Europa, so dass eine juristische Verfolgung nahezu ausgeschlossen ist. Häufig agieren Scammer aus dem afrikanischen Raum heraus und meistens ist es die sogenannte Nigeria Connection, die nach Geldwäscheversuchen und anderen Gaunereien nun auch das Geschäft mit der Einsamkeit für sich entdeckt hat.
Wie agiert ein Scammer genau?
Nun er wird zunächst versuchen, so subtil wie möglich Kontakt aufzunehmen, etwa mit Fragen über das scheinbar gemeinsame Hobby. Bekommt er eine Antwort, wird er ohne große Umschweife von seiner eigenen Lebenssituation berichten, um möglichst schnell eine Vertrauensbasis zu schaffen. Geht sein potentielles Opfer darauf ein, wird er beginnen, möglichst viele private Informationen nach der Lebenssituation und dem Beruf zu erfragen, um sich und seinen Kollegen ein möglichst vollständiges Bild von der betreffenden Person machen zu können.
In der Regel handelt es sich nämlich tatsächlich um eine ganze Tätergruppe, die, meistens von Lagos, Nigeria, aus einem regelrechten Callcenter heraus agiert, um in Schichtarbeit rund um die Uhr mit unzähligen Frauen auf der ganzen Welt gleichzeitig zu chatten.
An dieser Stelle muss deutlich gesagt werden, dass viele Userinnen bereits zu Beginn einer Bekanntschaft viel zu viele Informationen über sich preisgeben. Als Grund wird häufig die Tatsache angeführt, das Profilfoto sei ansprechend gewesen sowie die Nachrichten sympathisch, niveauvoll und authentisch formuliert.
Die Betrüger am anderen Ende der Leitung können durch die Fülle der zusammengetragenen Informationen ein individuell ausgearbeitetes Opferprofil erstellen und entscheiden, ob sich eine weitere Kommunikation lohnt oder nicht. Kommen sie zu dem Schluss, ein Opfer gefunden zu haben, wird mit Hilfe zahlreicher Nachrichten der Eindruck zu erwecken versucht, man sei wirklich an der Person interessiert. Es wird ein Netz aus Lügen gesponnen, welches ein außergewöhnliche Vertrautheit vermitteln soll: Die Nachrichten werden persönlicher.
Dabei wird nichts dem Zufall überlassen und alles darangesetzt, den jeweiligen Vorstellungen zu entsprechen. Eine sorgfältig geplante Strategie spielt dabei eine große Rolle. Ist der Kontakt erst einmal gefestigt und sind die ersten Nachrichten ausgetauscht, werden die Komplimente einfallsreicher und der Scammer schenkt seinem Opfer ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit.
Die meisten betroffenen Frauen berichten, dass ihnen das Gefühl vermittelt wurde, die einzige Frau auf der Welt zu sein. Dabei sind fünfzig und mehr Nachrichten nicht selten, es setzt eine regelrechte Gehirnwäsche ein. An dieser Stelle ist der Punkt erreicht, wo es noch mit gesundem Menschenverstand möglich sein sollte, zu prüfen, ob der Mensch, mit dem gerade kommuniziert wird, eine echte oder lediglich eine virtuelle Person darstellt.
Um Informationen zu hinterfragen, sind jede Menge Tools verfügbar. So kann man beispielsweise ganze Nachrichten bei Google.de auf ihre Authentizität überprüfen lassen oder auch Fotos auf ihre Echtheit überprüfen. Spätestens dann, wenn dem Gesprächspartner oder einem Familienmitglied ein Unglück widerfährt, sollten die Alarmglocken unüberhörbare Zweifel anmelden.
Häufig sind es schwere Erkrankungen oder geschäftliche Probleme, die relativ schnell die Frage nach einer monetären Leihgabe entstehen lassen. Stets unter wortreichen Entschuldigungen, häufig auch gestützt durch ein gefälschtes Attest oder Anwaltsschreiben. Nicht selten umfasst die Bitte einen Betrag von mehreren tausend Euro. Dies dient dem Zweck, nicht nur den emotionalen, sondern auch der moralischen Druck von Nachricht zu Nachricht zu erhöhen. Ein Punkt, den viele Frauen nicht bemerken, weil sie sich möglicherweise bereits in ihr gegenüber verliebt zu haben glauben. Eine komplette und zudem fatale Fehleinschätzung der Lage: Wenn man schon schon von Verliebtheit sprechen möchte, dann höchstens in das Bild, was man sich selbst geschaffen hat. Die Realität sieht ganz anders aus.
Ein geübter Scammer wird raffiniert und sorgfältig vorgehen, damit sein Opfer keinen Verdacht schöpft. Bei der Frage nach Geld wird äußerst geschickt argumentiert, so dass vielen Opfern ihre gesunden Zweifel als kleingeistig und moralisch verwerflich vorkommen. Der Scammer ist am Ziel angekommen, das Opfer zahlt den geforderten Betrag. Nach der Geldübergabe, die in den überwiegenden Fällen anonym über Western Union erfolgt, wird der Kontakt abbrechen. Sämtliche Kommunikationswege werden gesperrt und keine Nachricht mehr übermittelt. Ein schmerzhafter Moment, der unmissverständlich verdeutlicht, Opfer eines Internetbetrügers geworden zu sein. Für die Nigeria Connection ein offensichtlich lukratives Geschäft mit der Einsamkeit.
Wie also kann man sich schützen?
- Die Täter nutzen gerne eine us-amerikanische Identität eines Militärangehörigen oder eines solventen Geschäftsmannes
mit interessantem Lebenslauf. Die Kontaktaufnahme einer derartigen Person sollte daher bereits zu Beginn stutzig
machen und die Wachsamkeit deutlich erhöhen.
- Jedes noch so kleine Detail sollte auf seinen Wahrheitsgehalt überprüft werden. Nahezu jeder Mensch hinterlässt auf
irgendeine Weise Spuren im Netz, nur ein Betrüger nicht. Recherchiert man auch nur einige der Informationen, hat man
schnell das Gefühl, dass diese Person überhaupt nicht existiert, was ja auch durchaus stimmt.
- Insbesondere Frauen haben einen deutlich ausgeprägten Sinn für Gefahrensituationen. Wenn dieses „Bauchgefühl“ an der
einen oder anderen Stelle Zweifel anmeldet, sollte die Unterhaltung sofort beendet werden.
- Spätestens, nachdem eine entsprechende Geldforderung gestellt wird, sollte der Kontakt unmittelbar und ohne weitere
Diskussion direkt eingestellt werden.
Immer mehr Menschen, insbesondere Frauen, fallen auf die perfiden Maschen der Romance Scammer herein. Zu groß ist offensichtlich die Einsamkeit, was den Wunsch nach Nähe begünstigt. Aber seriöser Partner würde niemals nach wenigen Tagen einer Bekanntschaft ein Darlehen erfragen, so viel ist sicher. Daher sollte die oberste Priorität immer sein, nicht zu viele Informationen über sich selbst preiszugeben und unter keinen Umständen Geld anzubieten oder sogar zu überweisen.
Besser ist es, einen weiteren Kontakt zu unterbinden, wenn eine Geldforderung tatsächlich eintrifft, so schwer es auch fallen mag, dieser Person auf allen Portalen die Berechtigung zu Kontaktaufname zu entziehen. Auf keinen Fall aber dürfen Zahlungen geleistet werden. Dieses Geld ist für immer verloren, inklusive des Mannes, der es erbeten hat.
Weigert sich das Opfer, zu zahlen, wird der Scammer dies schnell realisieren, keine Zeit verschwenden und sich direkt anderen Frauen anschließen, um doch noch erfolgreich zu sein. Das ist schließlich sein Job.
Für ihn handelt es sich um ein perfides Spiel um Einsamkeit, falscher Liebe, Macht und Geld. Für sein Opfer bedeutet es häufig einen emotionalen und finanziellen Ruin.